Gestütskrimi

Die Nacht der blauen Kinder

Die Bilanz der Celler Landesfrauenklinik in einer Weihnachtsnacht Anfang der sechziger Jahre: Mehrere Neugeborene erblicken das Licht der Welt, doch eines stirbt direkt nach der Geburt. Über vierzig Jahre später entdeckt Cornelius Conrady, der Hauptsattelmeister der Hengstprüfungsanstalt in Adelheidsdorf bei Celle, während eines Ausritts einen Toten.
Die Spur führt Kommissar Mark-Heinrich Fischer und sein Team in die Welt der Pferde,  ins südbadische Freiburg, sogar zu der alt eingesessenen Familie Conrady selbst - und in die Nähe eines seit langem gesuchten Pferde-Rippers.

Foto: Jürgen Schwörer, Bad Wimpfen
ISBN-10: 3898413616
ISBN-13: 978-3898413619

Schardt Verlag Oldenburg

 

 

Leseprobe:
„Haben Sie eine Ahnung davon, wer das sein könnte?“, wandte sich Kommissar Fischer an den Hauptsattelmeister. Der schüttelte seinen Kopf.
„Ich kann mir ja nicht mal erklären, wie der dahin kam.“
Er sah fragend zu Cosima Fabricius.
„Wildschweine,“ erwiderte diese leise, „Tote werden oft von Wildschweinen verschleppt.“ Mit diesen Worten stemmte sie sich ächzend in die Höhe.
„Kannst du uns sonst etwas sagen, Cosi? So wie es hier aussieht, ist ein Fremdverschulden in den Fall wohl nicht auszuschließen,“ fügte Fischer an.
„Im Moment kann ich nur sagen, ich vermute, es ist ein älterer Mann. Den Haaren und der Kleidung nach zu urteilen. Für weitere Infos muss ich ihn aufmachen.  Mögliche sichtbar gewesene Spuren sind verwittert und verwaschen. Sag Staatsanwalt Seyl bBescheid. Morgen elf Uhr dreißig, Mark. Dann weiß ich mehr.“
Conrady verzog den Mund und fragte:
„Das wollte ich schon immer mal wissen. Was können Sie bei einer Obduktion denn herausfinden? Ist das so, wie es im Fernsehen meist gezeigt wird, Frau Doktor?“
Die Ärztin zog sich die Handschuhe aus, murmelte ein ich heiße Cosima Fabricius und lächelte den Mann dabei freundlich an. Sie stellte sich neben Fischer an die Absperrung und begann zu erklären:
„Teilweise zeigen sie im Fernsehen gute Sachen, ja. Aber grundsätzlich machen sie Fehler bei der Kleidung. Oder zeigen die toughen jungen Ermittlerinnen mit langen wehenden Haaren über ein Opfer gebeugt. Der Zeitfaktor stimmt auch nie. Aber andere Sachen sind gut dargestellt.“ Sie räusperte sich und fuhr fort:
„Zu Ihrer Frage nach der Obduktion: Ich kann zum Beispiel, darüber haben Sie doch bestimmt auch schon mal etwas gesehen, über den Madenbefall den Todeszeitpunkt bestimmen, je nachdem in welchem Stadium der Verpuppung diese sich befinden, lässt sich der schnell feststellen. Ferner lässt eine mögliche Fettwachsbildung auf die Liegezeit sowie die Liegeumgebung schließen.“
„Fettwachsbildung?“, fragte Conrady interessiert.
Fischer sah auf. Was interessierte der sich für Sonderformen der Leichenfäule? War an dem selber was faul? Cosima Fabricius, sichtlich erfreut über das Interesse des Mannes an ihrem Beruf, ein seltenes Phänomen in der Branche, wie sie die Rechtsmedizin gerne bezeichnete, fuhr fort:
„Fettwachs entsteht in feuchter Umgebung. Bei höheren Temperaturen schneller als bei niedrigen. Körpereigenes Fett wird dabei vor allem in Palmitin- und Stearinsäure verwandelt. Dabei können Haut oder Weichteile fast so hart werden wie Kerzenwachs.“
Fischer sah, wie der jüngere Conrady abwechselnd mit dem Gefühl des Ekels und dem der Faszination zu kämpfen hatte. Sein Gesichtsausdruck wechselte ständig zwischen angewidert und überrascht.
„Ich werde aber vor allem“, stellte die Rechtsmedizinerin nun klar, „zusammen mit der Kripo herausfinden, durch DNA-Analyse oder wie auch immer, wer dieser Mensch ist, woher er stammt und, das Wichtigste überhaupt, ich werde natürlich versuchen, die Todesursache zu ermitteln.“
„Also, ob er einen Herzinfarkt hatte. Oder einen Schlaganfall.“
„Oder er eins drüber bekam. Oder erstickt ist oder erschlagen wurde. Erschossen. Erstochen. Ein Toter ist wie ein aufgeschlagenes Buch.“
„All das kann man in Toten lesen?“ Conrady sah anerkennend zu Dr. Fabricius. „Ich bewundere Sie und den Beruf, den Sie ausüben. Darüber würde ich gerne mehr von Ihnen erfahren. Vielleicht könnten wir mal...“
Er stockte.


Volles Haus am 19.2. in Kunst und Bühne in Celle:
Zur Premierenlesung des dritten Celle-Krimis "Die Nacht der blauen Kinder" der Autorin Cosima Bellersen Quirini alias Bella Q. waren nicht nur viele interessierte Leser  gekommen, sondern auch einige der Helfer, die sich auf Bitten der Autorin der fachlichen Seite des Textes angenommen hatten. So tummelten sich, während Bella Q. aus ihrem Buch, deren Handlung sie dieses Mal in der Welt der Pferde und in die Hengstprüfungsanstalt in Adelheidsdorf bei Celle gelegt hatte, neben einem Rechtsmediziner der Medizinischen Hochschule Hannover, auch der erste Kriminalhauptkommissar der PI Celle, sowie der Leiter der Hengstprüfungsantalt -mitsamt ihren Frauen- in den übervollen Räumen.  Bei einem kleinen Snack und einen Glas Wein konnten die Zuhörer in den Vortag eintauchen: In einer Weihnachtsnacht zu Beginn der sechziger Jahre muss der damalige Chefarzt der Landesfrauenklinik, Professor Rupert Conrady, mehreren Jungen auf die Welt verhelfen. Sie sind alle blau angelaufen, einer der Jungen stirbt. Vierzig Jahre später ist der Sattelmeister der HPA auf seinem Pferd unterwegs und findet einen zugerichteten Toten.
Kommissar Fischer, der in dem Fall wie gewohnt ermittelt, hat bei all seinen Recherchen  zu dem komplexen Fall, der sich  zwischen den Pferden und der High Society von Celle  bewegt und sogar  auf eine Spur nach Freiburg in Baden hinweist, noch ganz andere Probleme zu lösen. Er steuert geradewegs auf eine Midlifecrisis zu, deren Auslöser die blonde Sirene Jana zu sein scheint, die Neue in der Polizei- Inspektion Celle. Plötzlich denkt er nicht nur über ein männliches Klimakterium oder über möglich anstehende Prostata- Beschwerden nach, sondern schielt ein wenig zu häufig auf Jana, deren Jugend und Erotik ihn gefangen nehmen.
Die Autorin sorgte bei ihrem Vortrag so manches Mal für herzhafte Lacher und die Reihe derer, die für die Signierung des erworbenen Buches anstanden, sprach für sich. Ein sehr gelungener Abend, der zeigt, dass Bella Q. die Zuhörer in Bann ziehen kann.
A.M.