Theaterkrimi

Das Lächeln der Fatima

Aufregung im Schlosstheater: Der Schauspieler und Gigolo Amandus Schön erscheint während einer laufenden Inszenierung nach der Pause nicht mehr auf der Bühne. Die erst seit kurzem zum Ensemble zugehörige, türkische Schauspielerin und überzeugte Alevitin Betül Ceylan findet ihn angeschossen im Park. Noch bevor der Notarzt eintrifft, erliegt Schön seinen Verletzungen.
Der Mord gibt den Ermittlern um Kommissar Fischer Rätsel auf. Wie bei den Verhören deutlich wird, hatte fast jeder der Schauspieler, Dramaturgen und des übrigen  Personals ein durchaus denkbares Motiv,  Schön zu beseitigen. Für die Polizei wird ein Geflecht aus Eifersucht, Erpressung, Mißgunst und Intrigen sichtbar, dessen Entwirrung kaum möglich scheint.

 

Foto: Jürgen Schwörer, Bad Wimpfen
ISBN-10: 3898413616
ISBN-13: 978-3898413619
Schardt Verlag Oldenburg


 

Leseprobe:
Sie waren am Sektionssaal angekommen.
Kommissar Fischer, als Vertreter der Staatsanwaltschaft zu Anwesenheit verdonnert, war nicht gerade ein übertrieben großer Fan von Sektionen, aber die Atmosphäre im Saal nahm ihn dennoch immer wieder gefangen. Er war hell und freundlich gefliest, die weißen Milchglasscheiben wirkten diskret, das spärliche Mobiliar war in einem satten Eidottergelb gehalten, und wären sie nicht im Sektionssaal der medizinischen Hochschule, in dem mehrere Tote auf kalten Edelstahltischen verteilt lagen, dachte er, würde der Saal beinah so etwas wie Behaglichkeit verbreiten. Vielleicht hatte es aber mit den Leuten zu tun, die hier arbeiteten, überlegte Fischer und sah dabei zu Dr. Fabricius, die sich gerade eine weiße Plastikschürze umband. Sie verbreiteten alle eine heitere und gleichzeitig würdevolle Stimmung, was Fischer gut gefiel. Er wandte sich zu Lili und zeigte dabei nacheinander auf die anderen Anwesenden:
„Das ist Paul Wessels, der jüngste Assistent und in der Weiterbildung zum Facharzt für Rechtsmedizin. Und das ist der gute alte Gustav Bruns, der Präparator.“
Wessels hatte wie immer ein rotes Nickituch um seine wilden braunen Lockenkopf gebunden und Bruns, der Hüter der Toten, wie er hier genannt wurde, trug sein weißes Haar tief gescheitelt und erinnerte Fischer stets an Antje, das NDR- Walross, was er sich jedoch selbst nie so recht erklären konnte. Obwohl Gustav in der Tat figürlich an Antje recht nahe ran kam. Die Männer trugen beide, so wie die Ärztin auch, als Schutzkleidung grüne Kittel, die ihnen fast bis zum Knöchel reichten, weiße Gummischürzen und gelbe Einmalhandschuhe. Fischer sagte zu Lili, die immer noch Ingrids Kopftuch umhatte und ehrfürchtig in einer Ecke stand:
„Komm her, Mädchen, Gustav zeigt dir bestimmt erst mal die Hallen.“
„Na klar.“
Bruns führte Lili in den hinteren Bereich des Saales, in dem noch zwei weitere Tote aufgebahrt lagen. Fischer hörte Lili fragen, weshalb diese obduziert werden mussten und dann das Klacken der metallenen Türen an den Kühlfächern, die Bruns auf und zu schnappen ließ. Fischer kannte die Räumlichkeiten in und auswendig. Selbst den Schneewittchensarg, eine neuere Errungenschaft des Instituts, hatte er schon gesehen und damals bei der Bezeichnung gelächelt. Der Schneewittchensarg war nichts anderes als eine Art durchsichtiger Schutz in Sargdeckelform über einer einfachen Bahre.
Paul Wessels begann damit, Amandus Schön, der völlig unbekleidet auf dem ersten Seziertisch lag, zunächst nach äußeren Verletzungen abzusuchen, um ihn dann mit einem kleinen Skalpell zu öffnen. Er führte einen langen graden Schnitt vom Hals bis zum Schambein aus. Dann legte er die Rippen von Muskel- und Fettgewebe frei. Lili, die jetzt wieder neben Mark stand, sah fasziniert zu und murmelte:
„In den amerikanischen Krimis schreiben die immer von einem Y- Schnitt.“
„Kann man machen, aber hier schneiden wir eine Linie, “ sagte Wessels und setzte die Rippenschere an, während Cosima die Befunde zu diktieren begann.
„Ein männlicher Toter, achtunddreißig Jahre alt, Schussverletzung der rechten Brust.“
Doch kaum lag der Brustkorb vollständig eröffnet vor ihr, ließ Dr. Cosima Fabricius ihr Diktiergerät langsam sinken und sah verblüfft auf die freiliegenden Organe in der oberen Körperhöhle.
„Paul“, flüsterte sie ungläubig, „das gibt es doch nicht.“
Paul sah auf und suchte den Blick von Cosima. Sie wies auf den Leichnam.
„Schau genau hin.“
Pauls Augen weiteten sich und stumm standen die beiden Mediziner vor Amandus Schöns geöffneter Brust.
Fischer sah ratlos zu Bruns. Aber auch Gustav Bruns, der grade die Schädelsäge ansetzen wollte, hielt inne und war vor Erstaunen starr geworden.
„Cosi, was ist los?“
Mark trat näher an den Tisch und zog Lili am Ärmel ihrer Strickjacke hinter sich her.
„Mark, das ist...“
„Unglaublich“, vervollständigte Wessels den Satz.
„Nicht zu fassen“, erklärte Bruns.
„Was ist denn? So sagt schon.“ Fischer sah ungeduldig von einem Arzt zum anderen.